(Dieser Text ist ein Auszug aus dem Tagebuch der offenen Beziehung und beschreibt die Entwicklung zwischen dem 15. und 20. Oktober 2022 aus seiner Sicht.)

Freitag haben wir wieder Sex miteinander. Es ist irgendwie nicht so intensiv, wie in der letzten Woche. Aber immerhin nehmen wir uns Zeit füreinander. Samstagmorgen, als ich gerade ins Fitnesscenter aufbrechen möchte, hält sie mich auf, will im Bett frühstücken und danach Sex. Erst gegen 15 Uhr fahren wir los, das Fitnesscenter weist mich ab, also gehen wir zusammen spazieren und einkaufen.

Noch immer wird viel diskutiert, sie schlägt ein gemeinsames Wochenende nur für uns zwei vor. Sagt, dass uns das mehr zusammenbringen solle. Ich stimme zu, wir einigen uns auf das letzte Oktoberwochenende.

Sonntag verläuft bis Abends ohne besondere Vorkommnisse. Abends – nach einem großen, warmen Abendessen – wollte sich beim Sex meine Einsatzbereitschaft nicht herstellen. Ich hatte Bauchschmerzen und Aufstossen, fühlte mich nicht wohl. Sie wurde aggressiv und behauptete, dass ich meine Kräfte für mein Date am Montag aufsparen wollte. Ich kann dieses immer wieder aggressive Verhalten nicht nachvollziehen.

Am Wochenende – frisch zurück aus ihrem Urlaub –  outet sich die Krankenschwester, dass sie starke Gefühle für mich entwickelt habe. Sie müsse jetzt an sich arbeiten, um die Gefühle nicht übermächtig werden zu lassen. Sie werde sich deshalb wieder mit anderen Männern treffen. Sie könne auch nicht zuhause sitzen und immer darauf warten, dass ich ihr ein Treffen mit mir anbieten würde.

Montag haben wir nun unsere Dates. Ganz ehrlich? Ich habe absolut keine Lust. Fühle mich tagsüber unkonzentriert, schlapp und depressiv. Rechne auch damit, dass meine Krankenschwester kurzfristig absagt.

Meine Partnerin ist ab 17 Uhr bei ihrem Leistungssportler in dessen Wohnung, meine Krankenschwester kommt erst um 19:30 Uhr zum Date im von mir gebuchten Hotel.  Zuvor hatte sie mich den ganzen Tag an Diskussionen mit ihrem Noch-Ehemann teilhaben lassen. Ich hatte sie gebeten, früher zu erscheinen, aber das ging offenbar nicht. Ich zeige ihr Hameln. Als es zu regnen beginnt, setzen wir uns in ein Straßencafé mit großen Schirmen. Hier erzählt sie mir, dass sie gestern ein Date gehabt habe und auch im Urlaub „Spaß“ gehabt habe. Daran sei allein ich schuld. Wenn ich sie häufiger, am liebsten täglich treffen könnte, müsste sie nicht andere Männer daten. Irgendwie ist es ihr peinlich. Ich sage, dass sie frei ist. Sie allein entscheidet, was sie mit ihrer Freiheit anfängt. Sie sagt, dass sie mich liebt…

Als wir später im Hotel sind, haben wir viel Zärtlichkeit, der sicher von ihr gewünschte und erwartete Sex mit Penetration fällt aus. Dafür bedient sie mich sehr intensiv und mit einer Hingabe, die einfach schön ist. Dass ich wegen unserer Regeln bereits um 23 Uhr los muss, stört sie gewaltig. Sie möchte mit mir einschlafen – und aufwachen – und das geht nun nicht mehr. Die Vertrautheit ist zwar da, aber es fühlt sich für uns anders an. Irgendwie billig. Sie beschließt, dann auch zu fahren und ich bringe sie zu ihrem Auto.

Um 23:30 Uhr treffe ich mich mit meiner Partnerin. Zuhause erzählt sie, dass es wieder nicht zum Sex gekommen sei, weil ihr Lover keinen hoch bekommen habe. Während sie in seinem Bett gelegen habe, habe sie ein Date mit einem anderen Mann für Donnerstag ausgemacht. Das sage doch schon alles. Sie hätten viel gesprochen und er ihr viele Vorschläge gemacht. Er sei nun verliebt, das mache alles irgendwie anders.

Ich erzähle auch von meinem Date, bezeichne es als schön, aber zu kurz und sage, dass es mich nicht gestört habe, dass sie bei ihrem Lover gewesen sei. Das entspricht der Wahrheit, kommt bei ihr aber nicht gut an. Sie meint nun, dass das Ende der Beziehung erreicht sei. Ich sei nicht mehr eifersüchtig, das sei das Ende der Gefühle. Sie dagegen hätte immer an mich gedacht, auch beim Sex mit ihrem Lover und bei allen anderen Dates. Ich glaube das nicht. Gegen 2:00 Uhr schlafen wir ein.

Am Dienstagabend gehen wir abends spazieren. Den ganzen Tag zeigt mir die Krankenschwester, dass sie mich als ihren Ratgeber, Liebhaber oder gar Freund ansieht. Eine Sprachnachricht nach der anderen prasselt auf mich ein. Die Verbundenheit – so scheint es – ist durch das Date gestern noch gestiegen.

Abends gehen meine Partnerin und ich spazieren. Sie sagt wiederholt, dass ich mich in die Krankenschwester verliebt hätte, meine Gefühle für sie seien am Ende. Sie hätte das auch in meinem Horoskop gelesen. Ich erkläre, dass es nur zwei Gründe für meinen neuen Umgang mit ihren Dates und Sex-Dates gäbe. Erstens der Gewöhnungseffekt. Sie holt ihre Befriedigung woanders, ihr ist es unheimlich wichtig. Da das jetzt seit zwei Monaten so geht, bin ich vielleicht auch etwas müde und abgestumpft. Zweitens: Ich habe aufgeholt. Wenn sie sich zum Sex trifft, kann ich das jetzt auch. Und wenn ich selbst mit einer anderen Person Sex habe, wie kann ich da auf sie eifersüchtig sein? Sie will es wieder einmal nicht verstehen. Schlägt eine Date-Pause von zwei Wochen vor. Den ganzen Weg diskutieren wir wieder, jedem Vorwurf folgt ein Gegenvorwurf.

Mittwoch wieder ein Spaziergang. Jetzt erzählt mir meine Partnerin, dass sie nochmal intensiver die Astrologie befragt hätte. Bis Mai spätestens sei es mit unserer Partnerschaft vorbei. Ich sei derjenige, der sich neu verlieben würde. Sie müsse sich darauf jetzt einstellen. Sie glaubt diese Vorhersagen – so dass sich daraus schnell eine „selfulfilling prophecy“ ergeben kann. Das macht mir Angst. Wer so fest an die Voraussagen irgendwelcher Pseudo-Wissenschaftler glaubt, wird auch danach handeln.

Den ersten Beweis für meine These liefert sie dann auch gleich. Sie wolle sich jetzt im Fitness-Studio anmelden und während der Woche dort dreimal abends trainieren. Bei zwei erlaubten Sex-Dates pro Woche und einem Spaziergangsdate wird klar, dass sie ab sofort keinen Abend mehr zuhause sein wird. Eine weitere Idee von ihr ist, dass sie sich im Fitnesscenter anmelden könne, wo ihr Lover trainiert. Sarkastisch sage ich, dass man dann ja besonders gut das Trainieren mit dem Sex-Date kombinieren könne. Insgesamt ist sie wieder einmal gereizt, sagt, dass sie sich auf die Auflösung unseres Hausstandes vorbereiten müsse und fordert mich auf, ihr rechtzeitig zu sagen, wann es vorbei sei. Ich kann sagen, was ich will, es prallt alles ab. Während des Spaziergangs bekomme ich ständig Nachrichten und Anrufe von der Krankenschwester. Als ich nachsehe, bin ich schon verwundert. Die Krankenschwester kündigt ein Date mit einem anderen Mann an, will aber eigentlich, dass ich mich sofort mit ihr treffe, um sie davon abzuhalten. Ich sei schuld, dass sie jetzt einen anderen Mann treffen müsse…

Nach dem Spaziergang schauen wir gemeinsam Netflix, da kommt wieder ein Anruf meiner Krankenschwester. Dieses Mal sage ich meiner Partnerin, dass ich mal eben etwas klären muss und rufe ich zurück. Meine Parterin reagiert sauer. Die Krankenschwester ist auf dem Weg zu ihrem Date und möchte aber lieber zu mir fahren. Ein merkwürdiges Gespräch. Ich sage ihr, dass das so nicht geht. Wir hätten doch klare Absprachen und ich auch keine Schuld, dass sie jetzt zu einem anderen Date fahren würde. Sie wiederholt, dass sie nicht zuhause auf mich warten möchte. Ihr sei (mal wieder) einiges klar geworden. Ich bleibe sachlich und wiederhole, dass sie das tun muss, was sie möchte. Ich würde es anders machen.

Im Gespräch kommt meine Partnerin dazu, hört wohl ein, zwei Sätze. Redet rein. Als ich das Gespräch beendet habe, stelle ich fest, dass meine Partnerin mit ihrem Lover telefoniert. Das dauert dann 45 Minuten. Als sie wieder zurück kommt, konfrontiert sie mich mit dem, was sie verstanden haben will. Nämlich, dass ich an ihrem Geburtstag ein Date ausgemacht hätte. Genau das Gegenteil von dem, was ich im Telefonat gesagt habe. Ich hatte ganz klar gesagt, dass es an dem von der Krankenschwester vorgeschlagenen Tag nicht gehe. Also wieder Diskussionen. Wieder Stress. Sie will nicht verstehen, dass ich mit dem Rückruf dieses Durchdrehen der Krankenschwester beenden wollte.

Ein interessantes Detail rechnet meine Partnerin vor: Wir haben bei den Sex-Dates nun gleichgezogen. Deshalb hätte ich nun auch kein Recht mehr, mich zu beschweren. Sie rechnet mir das ganz genau vor – und ja, es stimmt, wenn man die letzten Dates mit ihrem Lover aufgrund seiner Potenzschwäche nicht als Sex-Dates klassifiziert. Doch was ist eigentlich ein Sex-Date? Ist es ein Sex-Date, wenn beide nackt im Bett liegen und schmusen, ist es ein Sex-Date, wenn er einen gelasen bekommt, oder sie am Andreaskreuz mit den Händen befriedigt? Wo beginnt der Sex eigentlich?

Als meine Partnerin schon ins Bett gegangen ist, schreibt die Krankenschwester erneut. Sie sei jetzt auf dem Rückweg von ihrem Date. Ich wünsche gute Fahrt. Eine halbe Stunde später die nächste Nachricht, sie habe beinahe einen Unfall gehabt, weil sie beim Fahren eingeschlafen sei. Na toll, was hatte ich ihr gesagt? Sie soll sich nicht übernehmen. Drei Dates in vier Tagen sind einfach zu viel. Ich lasse mich dazu hinreissen, nochmal anzurufen. Sage ihr, dass sie bescheuert ist. Sie solle doch an ihre Kinder denken. Ob es das wert sei, frage ich sie. Sie gibt sich einsichtig und holt sich einen Kaffee an der Raststätte. Sie berichtet vom Date, er sei mehr der Kumpel-Typ. Sex hatte sie natürlich trotzdem mit ihm. Das stört mich nicht. Dennoch finde ich ihr Verhalten bedenklich, das englische Wort dafür wäre wahrscheinlich „desperate“.

Donnerstagmorgen sagt mein Abend-Date ab, meine Partnerin schickt mir wieder Horoskop-Texte. Jetzt tritt an ihrem Geburtstag eine Solar-Eclipse auf, die insbesondere die Skorpione betrifft. Diese könnten sich jetzt bei einem Date Knall auf Fall verlieben und alles bisherige verlassen. Passt irgendwie. Schade nur, dass meine Partnerin ihr Skorpion-Date schon heute Abend hat…

 

(Dieser Text ist ein Auszug aus dem Tagebuch der offenen Beziehung und beschreibt die Entwicklung zwischen dem 15. und 20. Oktober 2022 aus seiner Sicht.)